Weniger CO2 mit künstlicher Intelligenz

Innovative Lösung im Einsatz: Schrauben mit drag&bot am Tablet.
Inno­v­a­tive Lösung im Ein­satz: Schrauben mit drag&bot am Tablet.

Rund 40 Start-ups zeigen auf der EMO Han­nover, was sie können

Frank­furt am Main, Sep­tem­ber 2019. – Start-ups ste­hen auf der EMO Han­nover 2019 hoch  im Kurs. Die Weltleitmesse der Met­all­bear­beitung hat ihr Engage­ment für junge Unternehmen noch ein­mal gesteigert und als Leucht­turm­pro­jekt in ihr Pro­gramm gehoben. Bere­its acht Fir­men haben sich für den Gemein­schafts­stand Junge inno­v­a­tive Unternehmen (Halle 9, Stand A30) angemeldet, der gefördert durch das Bun­desmin­is­teri­um für Wirtschaft und Energie (BMWi) deutschen Start-ups das Schnup­pern von Mes­seluft ohne großen Aufwand ermöglicht. Weit­ere 29 Jun­gun­ternehmer wer­den ihre Inno­va­tio­nen unter dem Dach der Young Tech Enter­pris­es bzw. VDMA Start­up-Machine präsen­tieren (eben­falls in Halle 9, Stand A30). Mit Span­nung erwartet wird zudem die Preisver­lei­hung des BMWi-Grün­der­wet­tbe­werbs Dig­i­tale Inno­va­tio­nen, dessen Nominierungsliste nun vorliegt.

Unternehmen sind wie Schiffe“, sagt Sascha Schu­bert, der bere­its drei Unternehmen gegrün­det hat und sich als stel­lvertre­tender Vor­sitzen­der des Bun­desver­bands Deutsche Star­tups bei den Young Tech Enter­pris­es auf der EMO Han­nover ein­bringt. „Je größer sie sind, desto sta­bil­er fol­gen sie ihrem Kurs. Wollen sie diesen aber ändern, wird ihre Größe zum Nachteil. Junge Unternehmen mit weniger einge­spiel­ten Rou­ti­nen sind dann flex­i­bler und dynamis­ch­er.“ So fordern Start-ups ein­er­seits den Wet­tbe­werb mit frischem Denken her­aus und zwin­gen etablierte Akteure, sich aus ihrer Kom­fort­zone zu lösen. Ander­er­seits bietet die Zusam­me­nar­beit mit Start-ups aber auch tra­di­tionellen Her­stellern große Chan­cen, die eigene Posi­tion im glob­alen Wet­tbe­werb zu verbessern. „Arbeit­en etablierte Unternehmen und Start-ups zusam­men – oder um im Bild zu bleiben: ver­fü­gen Tanker über ein schnelles Bei­boot – kön­nen sie die Vorteile der jew­eils anderen Seite nutzen“, so Schubert.

Start-ups und etablierte Her­steller find­en zusammen
Eben dieses Ziel ver­fol­gt die Start-up Area der EMO Han­nover mit dem BMWi-Gemein­schafts­stand, den Young Tech Enter­pris­es sowie der VDMA Start­up-Machine, die jun­gen Unternehmen aus dem Maschi­nen­bau auch kurzfristige Mes­seteil­nah­men ermöglicht. „Aussteller und Besuch­er haben hier direk­ten Zugang zu zahlre­ichen jun­gen, kreativ­en Unternehmen. Umgekehrt haben die Start-ups unmit­tel­baren Zugriff auf mehr als 2.000 poten­zielle Part­ner“, erk­lärt Dr. Wil­fried Schäfer, Geschäfts­führer des VDW (Vere­in Deutsch­er Werkzeug­maschi­nen­fab­riken) und Ver­anstal­ter der EMO Han­nover. „Das macht die EMO Han­nover für Indus­trie-Start-ups zur ide­alen Plat­tform, um sich mit etablierten Unternehmen zu ver­net­zen. Die Messe bietet Ausstel­lungs­fläche, Forum, Match­mak­ing-Events und Pitch­es für Start-ups und ermöglicht damit den direk­ten Aus­tausch zwis­chen Grün­dern, Inve­storen, Part­nern und Förder­ern“, so Schäfer weiter.

Robot­er im Han­dum­drehen programmieren 
Ein Start-up, das sich auf­grund pos­i­tiv­er Messeer­fahrun­gen zur Teil­nahme am Young Tech Enter­pris­es Pro­gramm entsch­ieden hat, ist die drag and bot GmbH aus Stuttgart. 2017 aus dem Fraun­hofer-Insti­tut für Pro­duk­tion­stech­nik und Automa­tisierung aus­ge­grün­det, arbeit­en derzeit rd. 15 Mitar­beit­er an ein­er Soft­ware zur ein­fachen und her­stellerun­ab­hängi­gen Pro­gram­mierung von Indus­trier­o­bot­ern. Mit ein­er intu­itiv­en Benutze­r­ober­fläche, die an eine Smart­phone-App erin­nert, will das junge Team mit­tel­ständis­chen Unternehmen den Ein­stieg in die Automa­tisierung mit Robot­ern ermöglichen. Geeignete App­lika­tio­nen sind hier etwa repet­i­tive und wenig her­aus­fordernde Tätigkeit­en wie das Be- und Ent­laden von Maschi­nen oder ein­fache Han­dling-Auf­gaben, die von Mitar­beit­ern nur ungerne erledigt wer­den und sich schnell amor­tisieren. Die Mitar­beit­er wer­den durch den Ein­satz eines Robot­ers ent­lastet und kön­nen in höher­w­er­ti­gen Auf­gaben­bere­ichen einge­set­zt wer­den. So sichert der Auf­bau hau­seigen­er Kom­pe­tenz im Bere­ich der Robotik mit­tel­ständis­chen Unternehmen nicht nur Flex­i­bil­ität in der Pro­duk­tion, son­dern ermöglicht ihnen auch, dynamisch auf Verän­derun­gen zu reagieren und sich von exter­nen Dien­stleis­tern unab­hängig zu machen. Auch Prozesse mit gerin­gen Stück­zahlen und hoher Vari­anten­vielfalt kön­nen wirtschaftlich automa­tisiert werden.

Wir haben aus Kun­denge­sprächen erfahren, dass das Be- und Ent­laden von Maschi­nen wichtige Anwen­dungs­fälle für den Maschi­nen­bau sind und haben viele Leads aus der Met­allindus­trie“, sagt Jonathan Sauter, zuständig für Busi­ness Devel­op­ment und Ver­trieb bei drag and bot. „Daher war für uns schon länger klar, dass wir uns auf der EMO Han­nover präsen­tieren soll­ten.“ Die Entschei­dung erle­ichtert hat das Ange­bot der Young Tech Enter­pris­es, das Sauter bere­its auf der Han­nover Messe ken­nen­gel­ernt hat­te: „Seit drei Jahren stellen wir in Han­nover aus, 2018 waren wir bei den Young Tech Enter­pris­es. Die Stände haben ein cooles Design und es gibt an einem Ort viel Neues auf ein­mal zu erleben, was sich wiederum pos­i­tiv auf die Medi­en­präsenz und die Aufmerk­samkeit der Besuch­er auswirkt. Für uns ist das ins­ge­samt ein tolles Format.“

Gemein­schafts­stand unter­stützt bei der Messeplanung
Ähn­liche Gründe bewegten die Gero­tor GmbH aus Puch­heim bei München zur Teil­nahme am Gemein­schafts­stand Junge inno­v­a­tive Unternehmen, der speziell auf deutsche Start-ups zugeschnit­ten ist. „Wir haben bere­its 2017 auf der EMO Han­nover aus­gestellt und waren mit dem Ver­lauf abso­lut zufrieden, haben damals sog­ar den Maschi­nen­markt Son­der­preis für Energieef­fizienz gewon­nen“, erk­lärt Mar­cel Wern­er, Mit­grün­der von Gero­tor und heute zuständig für Busi­ness Devel­op­ment. Mit dem Ziel­markt Maschi­nen- und Anla­gen­bau und beson­der­er Dynamik im Bere­ich der Werkzeug­maschi­nen, sieht Wern­er die Messe als Pflicht­ter­min: „Als Weltleitmesse ist die EMO Han­nover für uns der place to be.“ Weil ein eigen­er Messeauftritt für das kleine Team aber eine enorme Belas­tung darstelle, entsch­ied sich Gero­tor dies­mal für die Beteili­gung an einem Gemein­schafts­stand, so Wern­er: „Wir bekom­men einen tollen Stand, haben aber weniger Aufwand und müssen uns um weniger küm­mern. Für Start-ups ist das ein wichtiger Faktor.“

Energie sparen und Strom putzen
Auf tech­nis­ch­er Seite läuft es derzeit rund für die Jun­gun­ternehmer, die mit der Einsparung von CO2 im Pro­duk­tion­sprozess ein hochak­tuelles The­ma auf der EMO Han­nover präsen­tieren wer­den. Wern­er: „Wir haben Gero­tor 2015 gegrün­det, vier alte Geschäftspart­ner mit jew­eils zehn bis 15 Jahren Führungser­fahrung im inter­na­tionalen Auto­mo­bil- und Zuliefer­geschäft. Gemein­sam hat­ten wir die Idee, die Kers-Tech­nolo­gie, die in der Formel 1 zur Brem­sen­ergierück­gewin­nung einge­set­zt wird, auf die Pro­duk­tion zu über­tra­gen.“ Statt elek­trische Energie in Wärme umzuwan­deln oder unwirtschaftlich ins Strom­netz zurück­zus­peisen, hält nun ein inno­v­a­tiv­er Schwung­massen­spe­ich­er die Energie im DC-Zwis­chenkreis der Mas­chine und macht sie auf diese Weise nutzbar. Der Stromver­brauch kann um bis zu 60 Prozent gesenkt, der CO2-Foot­print der Pro­duk­tion deut­lich verbessert werden.

Doch das mit­tler­weile auf rd. 20 Mitar­beit­er gewach­sene Unternehmen will nicht nur zur Energieef­fizienz beitra­gen, son­dern gle­ich mehrere Fliegen mit ein­er Klappe schla­gen. Mit­tel­ständis­che Unternehmen, die nahe ihrer Anschlus­sleis­tung arbeit­en, sollen das verbesserte Spitzen­last­man­age­ment zur Erweiterung ihres Maschi­nen­parks nutzen kön­nen. Stro­maus­fälle in der Pro­duk­tion wer­den durch den Schwung­massen­spe­ich­er über­brückt, der mit ein­er Spe­icher­dauer von bis zu 15 Sekun­den typ­is­ches Net­zflack­ern über­ste­ht. Sog­ar qual­i­ta­tiv höher­w­er­tiger Strom soll entste­hen, indem Ober­wellen und Blind­leis­tung abgefed­ert und die Sinuskurve des Stroms geglät­tet wer­den: „Geputzter Strom ist sozusagen ein Abfall­pro­dukt unseres Spe­ich­ers, der den Anwen­dern zusät­zlich zugutekommt. Das alles erre­ichen wir mit einem rein mech­a­nis­chen Auf­bau ohne Chemikalien, der schon während der Her­stel­lung und Bere­it­stel­lung grün­er ist, als andere Tech­nolo­gien.“ So soll sich die Investi­tion auch für Kun­den schnell rech­nen, ver­spricht Wern­er: „Wenn ein Maschi­nen­her­steller unser Last­man­age­ment und die Reku­per­a­tion direkt ein­plant, kann er bei der eige­nen Periph­erie sparen. Bei ein­er neuen Mas­chine mit Down­siz­ing der Periph­erie-Kom­po­nen­ten wäre die Amor­ti­sa­tion dann noch früher gegeben, beim reinen Add-on des Spe­ich­ers als Option­spaket von Maschi­nen wäre sie nach etwa drei Jahren drin.“

Derzeit erforscht und entwick­elt das Start-up mit der Uni­ver­sität Stuttgart, dem Fraun­hofer IPA und Erprobungspart­nern aus der Indus­trie auch den Ein­satz kün­stlich­er Intel­li­genz. Sie soll anhand des Strompro­fils das Opti­mum der Mas­chine erken­nen, um Energieef­fizienz auch ohne externe Steuerungs­be­fehle sicherzustellen. Unter­schiede in den Strompro­filen gle­ich­er Maschi­nen mit gle­ichem Pro­duk­tion­spro­gramm kön­nten dann etwa Rückschlüsse auf Wartungs­be­darfe geben. Auch deshalb freuen wir uns auf die EMO Han­nover, die mit OPC UA und umati zwei span­nen­den Ini­tia­tiv­en zur Auswer­tung von Maschi­nen­dat­en großen Stel­len­wert einräumt.“

Eine span­nende Plat­tform für Start-ups
Einig sind sich alle darüber, dass die EMO Han­nover auch in diesem Jahr eine span­nende Plat­tform für Start-ups bieten wird. Schäfer: „Mit dem BMWi-Gemein­schafts­stand, Young Tech Enter­pris­es und der VDMA Start­up-Machine spricht die Messe Unternehmensgrün­der gle­ich auf mehreren Ebe­nen an. Mit geringem Aufwand kön­nen junge Teams Messeer­fahrung sam­meln, die näch­sten Pro­fes­sion­al­isierungss­chritte gehen und mit Ausstellern aus aller Welt in Kon­takt treten.“ Die Vor­freude hat auch Sauter gepackt, der für den drag and bot Stand Großes ankündigt: „Wir wer­den den cool­sten Demon­stra­tor auf die Messe mit­brin­gen, den wir je hatten!“

Nominierungsliste zum BMWi Grün­der­wet­tbe­werb Dig­i­tale Innovationen
Mit Span­nung erwartet wird die Preisver­lei­hung des Grün­der­wet­tbe­werbs Dig­i­tale Inno­va­tio­nen, die am 17. Sep­tem­ber ab 17:00 Uhr erst­mals auf der EMO Han­nover stat­tfind­en wird. Bis 31. März 2019 wur­den 252 Grün­dungsideen ein­gere­icht, die von Date­n­analy­sen bei M&A‑Investoren über ein automa­tisch ges­teuertes Indoor-Gewächshaus bis zu dig­i­tal­en Inno­va­tio­nen im Gesund­heits­bere­ich eine beein­druck­ende Band­bre­ite aufwiesen. Bis zu sechs Ideen wer­den von ein­er Fachjury mit Haupt­preisen von je 32.000 Euro aus­geze­ich­net und bis zu 15 weit­ere mit einem Geld­preis von je 7.000 Euro prämiert. Zusät­zlich zum reg­ulären Wet­tbe­werb wurde passend zur EMO Han­nover erst­mals auch ein Son­der­preis für Dig­i­tale Inno­va­tio­nen in der Pro­duk­tion aus­gelobt und mit 10.000 Euro dotiert. Fol­gende Grün­dungsideen wur­den durch die Jury nominiert:

Aig­o­ra (Aggre­ga­tion von anonymisierten Gesund­heits­dat­en und Ver­trieb an KI-Entwick­ler); Aug­ment­ed Robot­ics (Aug­ment­ed Real­i­ty-Steuer­auf­satz für han­del­sübliche Mod­ell­fahrzeuge und andere Spiel­waren mit virtuellen Spie­len); Dar­win (Selb­stler­nende Analy­sesoft­ware für die Opti­mierung vol­lau­toma­tisiert­er Pro­duk­tion­san­la­gen); Edon (Spenden-Plu­g­in für Bezahlsys­teme in Online-Shops und Tool für char­i­ty live streams); Ener­gy Robot­ics (Soft­ware-Mod­ule für autonome mobile Boden­ro­bot­er zur Fer­nin­spek­tion von kap­i­tal­in­ten­siv­en Infra­struk­turen der Öl- und Gas-Indus­trie); etalyt­ics (KI-basiertes Energie­m­an­age­ment für Indus­triebe­triebe: Mod­el­lierung, Sim­u­la­tion, Prog­nose und Opti­mierung); GAIA Indoor Gar­den­ing (automa­tisch ges­teuertes Indoor-Gewächshaus für Gemüsean­bau); HEAR2R (audio-basiertes Assis­ten­zsys­tem für lär­minten­sive Indus­triebere­iche); HEDERA (Out­come-Metriken zur Nach­haltigkeits­be­w­er­tung von Pro­jek­ten zur grü­nen Mikro­fi­nanzierung); Merg­erSpot (Date­n­analyse für M&A‑Investoren: Bere­it­stel­lung von quan­ti­ta­tiv­en und qual­i­ta­tiv­en Infor­ma­tio­nen auf Markt- und Unternehmensebene); Mind­able Health (Ther­a­peutis­che App für Men­schen mit Angst­störun­gen); Ocell (Luft­bil­dauf­nah­men für die Forstwirtschaft durch pri­vate Piloten mit Mul­ti­spek­tral-Sen­sor und automa­tisiert­er Date­nauswer­tung); outsmart.ai (selb­stler­nende Automa­tisierung von repet­i­tiv­en Geschäft­sprozessen); Pat­ta­ri­na (App, mit der Schnittmuster direkt vom Handy auf den Stoff über­tra­gen wer­den kön­nen); Per­A­Graft (indi­vid­u­al­isierte Blut­ge­fäßprothe­sen für Patien­ten mit Erweiterung der Aor­ta); qbound (Zugriff­s­man­age­ment für App­lika­tio­nen und IoT-Geräte: Soft­ware Defined Perime­ter mit Blockchain-Absicherung von Log-Dateien und sicher­heit­srel­e­van­tem Code); SAM (Assis­ten­zsys­tem für Maschi­nenbe­di­ener, das Erfahrungswis­sen der Bedi­ener ein­bezieht); sentin.ai vision (Assis­ten­zsys­tem zur radi­ographis­chen Inspek­tion von Werk­stück­en in der Pro­duk­tion); Sooqua (Soft­ware für die vorauss­chauende Wartung von Wasser­net­zen); Spray­Pat­ter­na­tor (Mes­sung der Vol­u­men- und Massen­verteilung von Düsen­sprays auf Werkzeugoberflächen);

(Lern­plat­tform mit automa­tisch erstell­ter Lern­struk­tur mit Mindmap und Lernplan).

Autor: Dr. Ste­fan Schwa­neck, VDW
Umfang: 12.707 Zeichen inkl. Leerzeichen

Kategorien: 2019, September