Rasant und umweltfreundlich beschichten — Neues Verfahren zeigt additive Fertigungstechnologie auf einer Werkzeugmaschine

Das neue Ver­fahren für extremes Hochgeschwindigkeits-Laser­auf­tragschweißen (Ehla) ist eine echte Suc­cess-Sto­ry: inten­sive Ver­fahrensen­twick­lung in Aachen seit 2012, kon­se­quente Real­isierung und Erprobung der Sys­temtech­nik in den Nieder­lan­den und dann die indus­trielle Umset­zung in Chi­na. Und am 21. Sep­tem­ber 2018 hat das am Aach­en­er Fraun­hofer-Insti­tut für Lasertech­nik ILT und am Lehrstuhl für Dig­i­tal Addi­tive Pro­duc­tion DAP der RWTH Aachen Uni­ver­si­ty entwick­elte Ver­fahren in Ditzin­gen nun auch noch den Berthold Leibinger Inno­va­tion­spreis erhal­ten. Der Preis wird seit 2000 alle zwei Jahre für her­aus­ra­gende Forschungs- und Entwick­lungsar­beit­en zur Anwen­dung oder Erzeu­gung von Laser­licht verliehen.

Die Bauan­leitung für die weltweit wohl schnell­ste Anlage zum Laserbeschicht­en ist an und für sich sehr ein­fach: Man nehme eine CNC-Drehmas­chine, instal­liere eine Laser­strahlquelle, einen Bear­beitungskopf und ein Pul­verzu­fuhrsys­tem – fer­tig. Dieser cle­vere Ein­satz addi­tiv­er Fer­ti­gung­stech­nolo­gie wird auf der EMO Han­nover 2019 der Öffentlichkeit präsentiert.

Das neue Ver­fahren löst ein Prob­lem, das beson­ders Her­steller von stark beansprucht­en Bauteilen aus Met­all bet­rifft. Sie müssen Bauteile beschicht­en, damit sie nicht kor­rodieren oder ver­schleißen. Extrem hoch sind zum Beispiel die Ansprüche an die Beschich­tun­gen für meter­lange Off­shore-Zylin­der, die im Meer wegen der salzi­gen Umge­bung schnell ros­ten und ver­schleißen. Allerd­ings warten die üblichen Beschich­tungsver­fahren – das Hartver­chromen, das ther­mis­che Spritzen und das Auf­tragschweißen – mit Nachteilen auf. Auch das Laser­auf­tragschweißen kon­nte sich bis­lang in diesem Bere­ich nur vere­inzelt durchsetzen.

Alter­na­tive zum Hartverchromen

Das gängig­ste Ver­fahren für den Ver­schleiß- und Kor­ro­sion­ss­chutz war bish­er die Hartver­chro­mung mit Chrom(VI), das aber wegen sein­er umweltschädi­gen­den Wirkung in die EU-Chemikalien­verord­nung EC 1907/2006 (REACH) aufgenom­men wurde. Seit Sep­tem­ber 2017 darf es daher nur noch nach Autorisierung beziehungsweise beson­der­er Zulas­sung ver­wen­det wer­den. Mit diesem Prob­lem wurde die IHC Vremac Cylin­ders B.V. aus Apel­doorn (Nieder­lande) kon­fron­tiert, die Hydraulikzylin­der mit bis zu 10 m lan­gen Kol­ben­stan­gen pro­duziert. Diese kom­men unter extrem harten Bedin­gun­gen in Bag­gern, Off­shore-Anla­gen, Tief­bau und in Schw­er­maschi­nen zum Einsatz.

Wir sucht­en schon länger nach neuen Fir­men, die duk­tile und härtere Schicht­en effek­tiv auf­tra­gen“, erk­lärt Andres Veld­man, Man­ag­er Engi­neer­ing bei IHC Vremac Cylin­ders. Für duk­tile Schicht­en eignen sich elek­trolytis­che Ver­fahren und für harte Schicht­en kommt das Hochgeschwindigkeits­flamm­spritzen (HVOF) infrage. Aber auch den Laser nahm man in Apel­doorn ins Visi­er. Erste Unter­suchun­gen im Jahr 2006 ergaben zwar, dass nor­males Laser­auf­tragschweißen zu teuer und zu kom­pliziert ist. „Doch wir glaubten fest daran, dass diesem Ver­fahren die Zukun­ft gehört“, erin­nert sich Veldman.

Laserbeschicht­en ermöglicht traumhafte Werte

Er hat sich nicht geir­rt: Den Durch­bruch ver­dankt das Ver­fahren maßge­blich ein­er Inno­va­tion bei der Ver­fahrens­führung, die viel größere Beschich­tungs­geschwindigkeit­en ermöglicht. Der met­allis­che Zusatzw­erk­stoff wird direkt im Laser­strahl geschmolzen und nicht erst im Schmelzbad. Die Folge: EHLA beschichtet mit ein­er Prozess­geschwindigkeit von bis zu 500 m/min. Üblich sind bish­er 0,5 bis 2 m/min. EHLA ermöglicht außer­dem viel dün­nere Schicht­en aufzubrin­gen. Waren bish­er nur über 500 Mikrom­e­ter dicke Schicht­en möglich, so lassen sich nun 25 bis 250 Mikrom­e­ter dünne Schicht­en real­isieren. Zudem wer­den die Schicht­en glat­ter, die Rauheit wurde auf ein Zehn­tel des für Laser­auf­tragschweißen typ­is­chen Wertes reduziert.

Den Mark­ter­folg ver­danken die Aach­en­er aber auch zwei muti­gen nieder­ländis­chen Pio­nieren. Auf der Suche nach einem Anla­gen­her­steller stießen die Wis­senschaftler auf die noch junge Fir­ma Hor­net Laser Cladding B.V. aus Lex­mond (Nieder­lande), zu deren Grün­dern Jelmer Brug­man und Frank Rijs­dijk sie seit vie­len Jahren eine enge Verbindung haben. In ihrer Fab­rik ent­stand 2014 die erste EHLA-Anlage. Dabei han­delt es sich im Prinzip um einen aufgerüsteten Drehau­to­mat­en. Den Hin­ter­grund erläutert Thomas Schop­phoven, Leit­er des Teams Pro­duk­tiv­ität und Sys­temtech­nik in der Gruppe Laser­auf­tragschweißen am Fraun­hofer ILT: „Der Vorteil beim Beschicht­en von rota­tion­ssym­metrischen Bauteilen ist, dass sich die erforder­lichen Kom­po­nen­ten – also Laser­strahlquelle, EHLA-Bear­beitungskopf und Pul­verzu­fuhrsys­tem – gut inte­gri­eren und steuerung­stech­nisch anbinden lassen.“

Ver­fahren bere­its inter­na­tion­al im Einsatz

Das Zusam­men­spiel von Fraun­hofer ILT und Hor­net überzeugte IHC in Apel­doorn. „Auf der Basis eines Drehmaschi­nen­typs, die sich bei uns bere­its in Apel­doorn im Ein­satz befand, ent­stand eine völ­lig neue Anlage“, erin­nert sich Veld­man. „Es war eine cle­vere Idee, denn not­falls hät­ten wir sie – so unser Plan B – auch als Drehbank nutzen kön­nen. Beschaf­fung und Umbau der Drehmas­chine zur rund 14 Meter lan­gen EHLA-Anlage und Auf­bau sowie Inbe­trieb­nahme dauerten nur knapp sechs Monate.“

Die Nieder­län­der befind­en sich nun bere­its in der Serien­pro­duk­tion. Nach mehreren abgeschlosse­nen Pro­jek­ten ste­ht für Veld­man fest, dass das Ver­fahren derzeit noch etwa so viel wie das ther­mis­che Spritzen kostet. Preiswert­er wird es – so seine Ein­schätzung – nach der Opti­mierung der End­bear­beitung­sprozesse. Kun­den etwa aus dem Off­shore-Bere­ich kon­nten die Apel­doorner allerd­ings schon jet­zt von der neuen Schicht überzeu­gen. Dazu ließ das Unternehmen EHLA von der Risiko­man­age­ment-Organ­i­sa­tion Lloyd’s Reg­is­ter (LR) nach DIN EN ISO 15614–7 zer­ti­fizieren. Veld­man: „Die Fach­leute waren anfangs sehr skep­tisch, weil wir nur 200

Mikrom­e­ter dünne Schicht­en im Labor prüfen ließen, die dann noch auf 150 bis 100 Mikrom­e­ter herun­tergeschlif­f­en wur­den. Damit woll­ten wir sicherge­hen, dass die Schicht­en auch nach Ver­schleiß noch guten Kor­ro­sion­ss­chutz bieten.“ Die Experten von IHC wussten dabei, was sie tat­en. Seit 2015 hat das Unternehmen einige hun­dert Hydraulikzylin­der für den weltweit­en Off-Shore-Ein­satz mit Län­gen von bis zu 10 m und Durchmessern von bis zu 500 mm mit ver­schleiß- und kor­ro­sions­beständi­gen Legierun­gen für höch­ste Ansprüche beschichtet.

Auf die Vielzahl an möglichen Anwen­dun­gen set­zt auch die Trumpf Laser- und Sys­temtech­nik GmbH aus Ditzin­gen, die mit­tler­weile Laser­an­la­gen inklu­sive EHLA-Ver­fahren für unter­schiedliche Bauteil­größen anbi­etet. Die umwelt­fre­undliche und schnelle Tech­nik überzeugt aber auch außer­halb Europas. Neuerd­ings set­zen auch chi­ne­sis­che Anwen­der auf das Ver­fahren. So erläutert Chen Hong, Geschäfts­führer der ACu­ni­ty GmbH aus Aachen, einem Spin-off des Fraun­hofer ILT: „Der Bedarf für das EHLA-Ver­fahren ist sehr hoch, denn Chi­na will in den kom­menden zwei Jahren das Hartver­chromen nach europäis­chem Vor­bild regle­men­tieren.“ 2017 ging das Spin-off daher eine strate­gis­che Koop­er­a­tion mit der Chi­na Acad­e­my of Machin­ery Sci­ence and Tech­nol­o­gy Group Co., Ltd. (CAM) in Peking ein und lieferte eine 5‑Achs-Anlage mit ein­er vom Fraun­hofer ILT angepassten EHLA-Düsen­tech­nolo­gie. Nach den erfol­gre­ichen Ein­sätzen bei CAM in Peking orderte das Unternehmen Hebei Jingye Addi­tive Man­u­fac­tur­ing Tech­nol­o­gy Co. Ltd. zwei Anla­gen zur Außenbeschich­tung von bis zu fünf Meter lan­gen Off­shore-Hydraulikzylin­dern mit einem max­i­malen Durchmess­er von einem Meter sowie eine weit­ere Anlage zur Innenbeschich­tung. Nach dem ersten Erfolg des EHLA-Ver­fahrens in Chi­na ist Geschäfts­führer Hong opti­mistisch, dass dem­nächst Aufträge aus der Off­shore-Branche über fünf bis zehn Anla­gen fol­gen. Mit den näch­sten Aufträ­gen soll sich auch die Pro­duk­tion­sweise ändern. Han­delte es sich bish­er in erster Lin­ie um maßgeschnei­derte Son­der­maschi­nen, soll nun ein Mod­ul­baukas­ten für kleine, mit­tlere bis hin zu sehr großen Anla

gen entste­hen.

Das Ver­fahren läuft anderen den Rang ab

Im Kom­men sind außer EHLA auch andere Ver­fahren – wie das laser­basierte Auf­tra­gen von Nanos­truk­turen (Pro­jekt Laser-4-Fun) oder auch Weit­er­en­twick­lun­gen von klas­sis­chen Ver­fahren wie dem Wol­fram-Inert­gas- oder dem Plas­ma-Pul­ver-Auf­tragschweißen (PTA). „Weltweit existiert außer EHLA bish­er aber kein anderes flex­i­bles, ressourcenef­fizientes und gle­ichzeit­ig wirtschaftlich­es Beschich­tungsver­fahren für das Auf­tra­gen hochqual­i­ta­tiv­er, schmelzmet­al­lur­gisch ange­bun­den­er, dün­ner Schicht­en“, betont Schop­phoven. „Wegen der form­schlüs­si­gen Verbindung gibt es hier deut­liche Vorteile gegenüber Schicht­en, die mit ther­mis­chem Spritzen oder elek­tro­chemis­chen Ver­fahren aufge­tra­gen wer­den – denn dort ist die Schichthaf­tung nur sehr begrenzt.“

Autor: Fachjour­nal­ist Niko­laus Fecht, Gelsenkirchen,

Bildquelle: ILT Volk­er Lan­nert (1), ACu­ni­ty (2), pichit­stock­er – stock.adobe.com (3), ILT (4)

Kategorien: 2018, November