Für effizientere Produktion über den Tellerrand schauen — WGP übergibt Otto Kienzle-Gedenkmünze an Dr. Ivan Iovkov

Der Nach­wuchs­forsch­er Dr. Ivan Iovkov hat gestern die renom­mierte Otto-Kien­zle-Gedenkmünze der Wis­senschaftlichen Gesellschaft für Pro­duk­tion­stech­nik ent­ge­gengenom­men. Im Rah­men des Jahreskon­gress­es über­re­ichte das WGP-Prä­sid­i­umsmit­glied, Prof. Peter Nyhuis, dem Aus­nah­mewis­senschaftler die Ausze­ich­nung: „Mit seinem wis­senschaftlichen Scharf­sinn und seinem inter­diszi­plinären Denken hat Dr. Iovkov nicht nur in sein­er Dis­ser­ta­tion neue Wege für die zerspanende Pro­duk­tion aufgezeigt. Er hat schon während seines Studi­ums inno­v­a­tive Meth­o­d­en für eine effizien­tere Pro­duk­tion entwick­elt, die bere­its inter­na­tion­al Gehör und Ein­gang in die Indus­trie fanden.“ 

Übergabe Otto-Kienzle-Gedenkmünze, (v.l.n.r.): Prof. Peter Nyhuis, WGP-Präsidiumsmitglied und Leiter des Instituts für Fabrikanlagen und Logistik (IFA) der Leibniz-Universität Hannover; Dr. Ivan Iovkov, Institut für Spanende Fertigung der TU Dortmund, Quelle: Helmut-Schmidt-Universität Hamburg (HSU-HH), Ulrike Schröder
Über­gabe Otto-Kien­zle-Gedenkmünze, (v.l.n.r.): Prof. Peter Nyhuis, WGP-Prä­sid­i­umsmit­glied und Leit­er des Insti­tuts für Fab­rikan­la­gen und Logis­tik (IFA) der Leib­niz-Uni­ver­sität Han­nover; Dr. Ivan Iovkov, Insti­tut für Spanende Fer­ti­gung der TU Dort­mund, Quelle: Hel­mut-Schmidt-Uni­ver­sität Ham­burg (HSU-HH), Ulrike Schröder

 

Eine effizien­tere und umwelt­fre­undlichere Pro­duk­tion ist das über­ge­ord­nete Ziel Iovkovs: „Grund­la­gen­forschung betreibe ich nur sel­ten zum Selb­stzweck. Wichtig sind für mich immer ein prak­tis­ch­er Ansatz, der uns weit­er bringt hin zur Pro­duk­tion von mor­gen – und der Blick über den Teller­rand des Zerspaners.“

So hat sich der heute 34-Jährige während seines Studi­ums am Insti­tut für Spanende Fer­ti­gung (ISF) der TU Dort­mund ungewöhn­lich früh erfind­erisch gezeigt. Kaum dass er zur stu­den­tis­chen Hil­f­skraft eingestellt wor­den war, entwick­elte er gemein­sam mit seinem HiWi-Vater Dr. Michael Ker­st­ing in den Jahren 2006 bis 2009 einen mag­ne­torhe­ol­o­gis­chen Tor­sion­ss­chwingungs­dämpfer. Hin­ter dem sper­ri­gen Begriff ver­steckt sich eine mit Mag­net­spulen aus­ges­tat­tete Kup­plung, in der sich Öl mit mag­netis­chen Par­tikeln befind­et. Durch Verän­derun­gen des Mag­net­feldes lässt sich die Kon­sis­tenz der Flüs­sigkeit verän­dern und damit Schwingun­gen, die ger­ade in lan­gen Werkzeu­gen beim Tief­bohren entste­hen, ver­ringern bzw. voll­ständig ver­mei­den. Dieses Pro­jekt war der Anfang ein­er Rei­he von Inno­va­tio­nen, die Iovkov entwick­elte bzw. begleitete.

Per­fek­te Bohrach­sen trotz reduziertem KSS 

Seine Pro­mo­tion wid­mete er dem Kühlschmier­stoff (KSS) in der Zerspanung, oder bess­er gesagt neuen Meth­o­d­en, um den Ver­brauch deut­lich zu reduzieren. „Ich möchte die Trock­en­bear­beitung bzw. die Min­i­mal­men­gen­schmierung voran­brin­gen, weil sie großes Poten­zial zur Reduzierung der hohen Umwelt­be­las­tung durch den KSS haben“, betont Iovkov.

Beim Tief­bohren mit sehr lan­gen Werkzeu­gen ohne oder mit wenig KSS wird ver­mehrt Wärme ins Bauteil einge­bracht, so dass sich dieses verzieht. Infolge der Werk­stück­de­for­ma­tio­nen weicht beim Tief­bohren die resul­tierende Bohrachse in aller Regel von der ide­alen Bohrachse ab. Der Wahl-Dort­munder entwick­elte nicht nur eine Meth­ode, die Aus­maße dieser Unge­nauigkeit­en mit­tels Sim­u­la­tion vorherzusagen. Er fand auch einen Weg, die Abwe­ichun­gen von der ide­alen Achse, den soge­nan­nten Mit­ten­ver­lauf, zu kom­pen­sieren und trotz der unver­mei­dlich auftre­tenden Bauteil­verzüge die gewün­schte Bohrachse exakt einzuhal­ten. „Das erhöht Bauteilqual­ität und Sicher­heit bei gle­ichzeit­ig hohen Energie- und Kosteneinsparun­gen, weil der KSS-Ein­satz mas­siv reduziert wer­den kann. So tra­gen wir unseren Teil zu ein­er umwelt­gerechteren Pro­duk­tion bei.“ Iovkov gewann mit sein­er Dis­ser­ta­tion nicht nur den Jahrgangs­besten­preis, son­dern im Anschluss auch ein DFG-Erken­nt­nis­trans­fer-Pro­jekt. Das sorgte dafür, dass seine Meth­ode heute nicht nur von der am Forschung­spro­jekt beteiligten Daim­ler AG angewen­det wird, son­dern in die bre­it­ere Anwen­dung getra­gen wurde.

Inter­diszi­plinär und prak­tisch denken 

Seine Eigenini­tia­tive brachte dem Zerspan­er schnell die Leitung der Abteilung Zerspanung am ISF ein, mit heute 15 Mitar­beit­ern, die durch ihre Find­igkeit und ihrem Engage­ment alle gemein­sam erfol­gre­ich Drittmit­tel­pro­jek­te ein­wer­ben und bear­beit­en, betont Iovkov. „Der Erfolg hängt aber auch stark mit der Per­sön­lichkeit von Ivan Iovkov zusam­men“, meint Prof. Dirk Bier­mann, Leit­er des ISF an der TU Dort­mund. „Er zeigt außergewöhn­lich­es Engage­ment für seine Mitar­beit­er und ist zu jedem Zeit­punkt hil­fs­bere­it. Offene und faire Kom­mu­nika­tion ist für ihn von großer Bedeu­tung. Das schätzen seine Mitar­beit­er sehr und motiviert sie.“ Seine Bürotür lässt der Abteilungsleit­er stets offen, selb­st wenn es mal stres­sig wird. Das ist für ihn das Sym­bol für sein offenes Ohr. Und dieses Sym­bol wurde in der gesamten Abteilung Zerspanung über­nom­men. „Alle unter­stützen sich gegen­seit­ig, wo immer es geht“, freut sich Iovkov. „Wir sind wie eine zweite Fam­i­lie und unternehmen auch pri­vat vieles gemeinsam.“

Blick über den Tellerrand 

Neben seinem Faible fürs Tech­nis­che zeich­net sich Iovkov durch didak­tis­ches Tal­ent aus. Dass auch seine Form der Wis­sensver­mit­tlung motiviert, bescheini­gen ihm die Best­noten der Studieren­den. Und dafür geht er auch in der Lehre gerne neue Wege, wie etwa beim soge­nan­nten Fach­la­bor, ein­er Ein­führung in die Analyse von Pro­duk­tion­sprozessen am Beispiel der Drehbear­beitung. Auch hier blickt Iovkov über den eige­nen Teller­rand: „Es war mir ein Anliegen, die Studieren­den, in diesem Fall die ange­hen­den Wirtschaftsin­ge­nieure, abzu­holen. Deswe­gen wollte ich weg von dem klas­sis­chen Ler­nen-Abfra­gen-Konzept und habe Vier­er-Grup­pen gebildet, die sich in die Rolle ein­er Unternehmens­ber­atung ver­set­zen und uns als pro­duzieren­des Unternehmen bei ein­er konkreten Prob­lem­stel­lung unter­stützen soll­ten. Durch diese proak­tive Herange­hensweise haben wir die Lernziele sehr viel leichter erre­icht. Let­z­tendlich habe ich der Ver­anstal­tung nur eine andere Ver­pack­ung gegeben, aber das hat die Wahrnehmung bei den jun­gen Leuten deut­lich verändert.“

Die Gren­zen der Zerspanung über­wand der Nach­wuch­swis­senschaftler auch, als er gemein­sam mit Studieren­den einen Prüf­s­tand zur Mate­ri­al­prü­fung bei hohen Dehn­rat­en entwick­elte. „Sei­ther kön­nen wir solche Mes­sun­gen im eige­nen Haus durch­führen und damit unsere Sim­u­la­tio­nen mit ver­lässlichen Dat­en füt­tern“, berichtet Iovkov nicht ganz ohne Stolz. Das „über Gren­zen hin­weg Denken“ mag auch an der Lebens­geschichte des Nach­wuch­stal­entes liegen. Mit 18 Jahren kam der in Sofia in Bul­gar­ien geborene junge Mann aus Eigenini­tia­tive nach Deutsch­land, um hier Maschi­nen­bau zu studieren. Sein Vater – selb­st Maschi­nen­bauer – hat­te ihm ger­at­en, nach Deutsch­land zu gehen, wenn er das Handw­erk richtig ler­nen wolle. Den Rat hat Ivan Iovkov opti­mal umgesetzt.

Weit­ere Informationen:

Text und Bilder sowie zum Down­load find­en Sie im Inter­net unter https://wgp.de/de/presse/

Infor­ma­tio­nen zum Jahreskongress: https://wgp.de/de/aktivitaeten/wgp-jahreskongress/

Kategorien: 2019, September