Mysterium um Kegelräder teilweise gelüftet

Julia Mazak wird auf EMO Han­nover 2019 für Pro­jekt des Jahres ausgezeichnet. 

Übergabe der Auszeichnung „Projekt des Jahres“ (v.l.n.r.): Jürgen Kreschel, Gleason; Dr Stefan Brand, Vorstandsmitglied des VDW; Julia Mazak, WZL RWTH Aachen; Dr. Alexander Broos, Leiter Forschung und Technik VDW, Quelle: Deutsche Messe
Über­gabe der Ausze­ich­nung „Pro­jekt des Jahres“ (v.l.n.r.): Jür­gen Kreschel, Glea­son; Dr Ste­fan Brand, Vor­standsmit­glied des VDW; Julia Mazak, WZL RWTH Aachen; Dr. Alexan­der Broos, Leit­er Forschung und Tech­nik VDW, Quelle: Deutsche Messe

Gestern nahm Julia Mazak vom Werkzeug­maschi­nen­la­bor WZL der RWTH Aachen die Ausze­ich­nung des VDW-Forschungsin­sti­tuts für das „Pro­jekt des Jahres“ ent­ge­gen. Mazak hat erst­mals sys­tem­a­tisch unter­sucht, wie die Werkzeugein­satz­dauer für Kegel­räder, die der Über­tra­gung von Leis­tung unter einem Achskreuzwinkel dienen, erhöht wer­den kann. Hierzu unter­suchte Mazak nicht nur wie üblich das Aus­maß des Ver­schleißes der Werkzeuge, son­dern auch die erziel­bare Werk­stück­qual­ität. „Bis­lang wer­den die Prozess­pa­ra­me­ter, die den Ver­schleiß möglichst lange her­auszögern sollen, nach sub­jek­tiv­en Erfahrungswerten eingestellt“, berichtet die Preisträgerin. „Nun erhal­ten Her­steller klare Vor­gaben für Para­me­ter wie Werkzeug­winkel oder auch Art des Werkzeug-Vorschubs an die Hand.“ In den Ver­suchen kon­nte die Ein­satz­dauer um bis zu 12 Prozent gesteigert werden.

Kegel­räder sind unter anderem in jedem Dif­feren­zial in Pkw und Lkw zu find­en und sor­gen für ein geschmei­di­ges Um-die-Kurve-Fahren. Doch wenige ken­nen sich mit diesen kom­plizierten Werk­stück­en wirk­lich aus. „Kegel­räder sind sehr anspruchsvolle Werk­stücke, man muss drei­di­men­sion­al denken. Während meines Studi­ums kon­nten mir nur wenige erläutern, was es mit ihnen auf sich hat“, erin­nert sich Julia Mazak. „Ger­ade dieses Mys­teri­um hat mich sehr gereizt.“

Großbrand zer­stört kom­plette Anlage

Vorver­suche hat­ten gezeigt, dass der Werkzeug­winkel Ein­fluss auf seinen Ver­schleiß hat. Die junge Frau „leck­te Blut“ und entsch­ied sich 2015, ihre Dok­torar­beit zu diesem The­ma zu ver­fassen. Dass es ein Jahr länger dauern würde wie üblich, ahnte sie damals noch nicht. Im Jahr 2016 bran­nte die Ver­suchshalle der RWTH Aachen in ein­er Nacht bis auf ihre Grund­mauern ab. Fast alle Verzah­nungs­maschi­nen und auch Werkzeuge und Werk­stücke fie­len dem Feuer zum Opfer. „Doch die Fir­ma Kordel Antrieb­stech­nik aus Dül­men war so hil­fs­bere­it, die Zerspan­ver­suche in ihren laufend­en Betrieb mit aufzunehmen. Dafür bin ich sehr dankbar“, betont Mazak mehrfach. „Ohne sie hätte ich nicht weit­er­ma­chen kön­nen.“ Trotz­dem hat­te die Inge­nieurin mit erschw­erten Bedin­gun­gen zu kämpfen. Sie musste mehrfach zur Fir­ma Kordel reisen, denn die Maschi­nen standen natür­lich nur in bes­timmten Zeit­fen­stern zur Ver­fü­gung. Das wiederum bedeutete nicht sel­ten auch Nachtar­beit. Von ihrem Ziel ließ sich die 30-Jährige dadurch nicht abbringen.

Winkel vor allem im Kopf­bere­ich von Einfluss

Am Werkzeug gibt es unter­schiedliche Bere­iche, deren Winkel the­o­retisch Ein­fluss auf die Geschwindigkeit des Ver­schleißes haben kön­nten. Mazak unter­suchte die Hauptschnei­de, die aus Flanke und Kopf beste­ht. Sie kon­nte zeigen, dass der Winkel am Kopf kaum Ein­fluss auf den Ver­schleiß der Schnei­de hat. Anders die so genan­nten Span- und Frei­winkel an der Flanke der Schnei­de. „Wir haben uns in unseren Zerspan­ver­suchen deswe­gen auf die Flanke konzen­tri­ert und den opti­malen Winkel­bere­ich definiert“, berichtet Mazak. „Her­steller kön­nen auf diese Empfehlungswerte ab sofort zugreifen und damit die Wirtschaftlichkeit ihrer Pro­duk­tion deut­lich erhöhen.“ Da die Werkzeuge bis auf wenige Mikrom­e­ter genau aus­gerichtet wer­den müssen, ist der Ein­bau sehr aufwändig. Um den Ver­schleiß zu messen, müssen sie jedoch aus­ge­baut wer­den. „Wir haben nun erst­mals Abdrücke von den Schnei­den gemacht, und daran die Ver­schleiß­marken gemessen. Das hat ger­ade ein­mal 3 bis 5 Minuten gedauert.“

Vorschub des Werkzeugs eben­falls entscheidend

Es zeigte sich darüber hin­aus, dass die Art des Werkzeugvorschubs eben­falls Ein­fluss darauf hat, wie lange ein Werkzeug in der Mas­chine verbleiben kann. „Bei degres­siv­en Vorschubram­p­en, bei denen das Werkzeug zunächst schneller und gegen Ende der Bear­beitung langsamer bewegt wird, hält es am läng­sten“, präzisiert Mazak. Um diese unter­schiedlichen Zerspanungs­be­din­gun­gen unter die Lupe zu nehmen, nutzte Mazak eine weit­ere inno­v­a­tive Meth­ode. Mit so genan­nten Heatmaps kon­nte sie nachvol­lziehen, wie häu­fig während des Prozess­es bes­timmte Ken­nwerte am Werkzeug vorkom­men. Das wiederum gibt Auf­schluss darüber, wie stark ein Werkzeug belastet ist – das heißt, wie schnell es an welch­er Stelle ver­schleißt. Heatmaps sind bekan­nt aus dem Fußball. Sie zeigen auf, welch­er Spiel­er wie oft über das Feld gelaufen ist.

Autorin: Ger­da Kneifel, VDW
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Kategorien: 2019, September