Hersteller setzen vermehrt auf Trockenbearbeitung und MMS

EMO Hannover 2019 gibt Entscheidungshilfen für eigene Anwendungen (Teil 2)

Frank­furt am Main, 03. Sep­tem­ber 2019. –Kommt im Fer­ti­gung­sum­feld weit­er­hin eher die klas­sis­che Zerspanung mith­il­fe von Kühlschmier­stoff (KSS) zum Ein­satz oder bieten Trock­en­bear­beitung bzw. Min­i­mal­men­gen­schmierung (MMS) eine Alter­na­tive? Aus tech­nol­o­gis­ch­er Sicht gilt es, Werk­stof­feigen­schaften und Maschi­nen­leis­tung zu berück­sichti­gen, aber auch Anla­genkosten, Energie und Gesund­heit­saspek­te sind zunehmend in die ganzheitliche Prozess­be­tra­ch­tung einzubeziehen. Im ersten Teil der Fachar­tikelserie nah­men Schmier­sys­temher­steller und die Wis­senschaft Stel­lung zu dem The­ma. Teil 2 beleuchtet nun aus der prax­is­na­hen Sicht von Werkzeug- und Maschi­nen­her­stellern ver­schiedene Zerspanung­stech­nolo­gien: eine Vorschau auf die EMO Han­nover 2019.

In der Zahnradfertigung ist der prognostizierte Siegeszug der Trockenbearbeitung eingetreten
In der Zah­n­rad­fer­ti­gung ist der prog­nos­tizierte Siegeszug der Trock­en­bear­beitung eingetreten

Vor gut zwei Jahrzehn­ten sahen einige Experten bere­its einen Siegeszug der Trock­en­bear­beitung voraus. In welchen Bere­ichen kon­nte sich dieses Ver­fahren oder auch die Min­i­mal­men­gen­schmierung durchsetzen?

Zah­n­rad­fräsen auss­chließlich trocken

Die Vorteile der MMS gegenüber der Nass­bear­beitung sind gerin­gere Kosten des Kühlschmier­stoffes und der Ent­fall chemis­ch­er Zusätze im KSS. Das führt zu Kosten­vorteilen und ein­er gerin­geren Gesund­heits­be­las­tung der Mitar­beit­er“, weiß der Leit­er Tech­nolo­gie & Inno­va­tion Dr. Hart­muth Müller vom Pro­duk­tion­s­stan­dort Hück­eswa­gen bei der Klin­gelnberg GmbH. Das weltweit rund 1.300 Mitar­beit­er beschäfti­gende Maschi­nen­bau­un­ternehmen mit Haupt­sitz in Zürich (Schweiz) ist unter anderem auf das Gebi­et der Kegel- und Stirn­rad-Tech­nolo­gie spezialisiert.

Das Wirkprinzip der MMS beruht auf der Benet­zung der Span­fläche. Mit innengekühlten Werkzeu­gen ist dies ein­fach zu erre­ichen, während es sich bei den kom­plizierten Werkzeugge­ome­trien der Verzah­n­werkzeuge nicht sin­nvoll real­isieren lässt. Aus diesem Grund set­zt Klin­gelnberg beim Zah­n­rad­fräsen auss­chließlich auf die Trock­en­bear­beitung. Die MMS kommt haus­in­tern nur für die Bear­beitung von Gusskom­po­nen­ten im Maschi­nen­bau zum Ein­satz.“ Zum Kegel­rad­fräsen wer­den Hart­met­all-Stabmesser­w­erkzeuge einge­set­zt. Beim Stirn­rad­fräsen sind Hart­met­all-Werkzeuge aus Kosten­grün­den wenig ver­bre­it­et, in aller Regel wird hier mit PM-HSS-Wälzfräsern in Trock­en­schnitt gear­beit­et. Die anschließende Hart­fein­bear­beitung von Zah­n­rädern erfol­gt – wann immer es geht – durch Schleifen mit Öl als Kühlschmierstoff.

Der prog­nos­tizierte Siegeszug der Trock­en­bear­beitung ist in der Zah­n­rad­fer­ti­gung in vollem Umfang einge­treten“, so Dr. Müller. „Durch die Entwick­lun­gen bei Schnei­d­stof­fen und Beschich­tun­gen sind die Schnittgeschwindigkeit­en bis zu fünf­mal so hoch wie in der Nass­bear­beitung vor 20 Jahren. So hat die Trock­en­bear­beitung neben ein­er erhe­blichen Pro­duk­tiv­itätssteigerung auch zu ein­er sauber­eren Fer­ti­gung geführt.“ Auf der EMO Han­nover zeigt Klin­gelnberg seine hohe Kom­pe­tenz in der Verzah­nungsin­dus­trie, u.a. die Entwick­lung und Her­stel­lung von Maschi­nen für die Fer­ti­gung von Verzah­nun­gen, von Präzi­sion­s­messzen­tren für rota­tion­ssym­metrische Objek­te aller Art sowie die Fer­ti­gung hoch­präzis­er Getriebekom­po­nen­ten im Kundenauftrag.

Kosten­ef­fizient und umweltschonend

Zu den führen­den Werkzeugher­stellern gehört die Hart­met­all-Werkzeug­fab­rik Paul Horn GmbH aus Tübin­gen. „Die MMS hat den kon­ven­tionellen Kühlschmier­stoff in eini­gen Zerspan­prozessen ver­drängt“, weiß Geschäfts­führer Lothar Horn. „Kühlen und schmieren mit der Min­i­mal­men­gen­schmierung bietet dem Anwen­der eine Rei­he von Vorteilen. Diese haben dazu geführt, dass die MMS vor allem im Bere­ich der Serien­fer­ti­gung für viele Zerspan­op­er­a­tio­nen zum Ein­satz kommt. Diese Art der Küh­lung spart hohe Kosten in der Pflege, Auf­bere­itung und Entsorgung herkömm­lich­er Kühlschmier­stoffe. Des Weit­eren ent­fall­en die Energiekosten für Hochdruck- und Förderungspumpen zurück zum Sam­mel­beck­en. Zusät­zlich erhöht der Geset­zge­ber die Anforderun­gen an die KSS in Bezug auf gesund­heits­ge­fährdende Inhalt­stoffe. Trotz der genan­nten MMS-Vorteile ist der kon­ven­tionelle KSS aus den Fer­ti­gungsstät­ten aber nicht wegzu­denken. Viele Prozesse – zum Beispiel die Bohrungs­bear­beitung, das Zerspanen von hochwarm­festen Legierun­gen sowie die Innen­bear­beitung mit einem hohen Spanab­trag – ver­lan­gen die aus­re­ichende Ver­sorgung mit einem kon­ven­tionellen Kühlschmier­stoff.“ Auf der EMO Han­nover 2019 sind die Werkzeugspezial­is­ten mit ihrem umfan­gre­ichen Port­fo­lio zum Drehen, Fräsen, Nut­stoßen und Reiben sowie mit hochharten Schnei­d­stof­fen, Son­der­w­erkzeu­gen etc. vertreten.

Trock­en­bear­beitung richtig planen

Bei Maschi­nen der Fir­ma Grob wird eine Trock­en- bzw. MMS-Bear­beitung bei Prozessen mit ein­er geometrisch bes­timmten Schnei­de wie Bohren, Fräsen oder Schrup­pen einge­set­zt“, berichtet Jochen Nahl, CSO der Grob-Werke GmbH & Co. KG aus Min­del­heim. „Typ­is­che Werk­stücke sind Rah­men­struk­tur- oder Fahrw­erk­steile, Bauteile des Ver­bren­nungsmo­tors und des Antrieb­sstrangs aus Alu­mini­um oder Grau­guss und inzwis­chen sog­ar Tur­bo­laderge­häuse aus hochwarm­festem Stahlguss. Obwohl die Nass­bear­beitung in vie­len Unternehmen noch fes­ter Teil der Fir­men­philoso­phie ist, klet­terte der Anteil von MMS-Maschi­nen in den let­zten Jahren bere­its auf 12 Prozent und steigt beson­ders bei der Bear­beitung von Rah­men­struk­tur- und Fahrw­erk­steilen weit­er­hin kon­tinuier­lich an.“ Seit über 90 Jahren ist das Fam­i­lienun­ternehmen mit heute cir­ca 6.900 Mitar­beit­ern weltweit tak­t­geben­der Vor­re­it­er im Bau hochin­no­v­a­tiv­er Pro­duk­tions- und Automa­tisierungssys­teme. „Die Vorteile ein­er MMS-Bear­beitung sprechen für sich“, führt Jochen Nahl weit­er aus. „Die Investi­tion­skosten für die Fer­ti­gungslin­ie kön­nen gesenkt und der Aufwand zur Werk­stück­reini­gung kann entschei­dend reduziert wer­den. Außer­dem lässt sich im Ver­gle­ich zur Nass­bear­beitung rund ein Vier­tel Energie einsparen.“

Obwohl der Ein­satz der Trock­en­bear­beitung bis heute nicht in der erwarteten Dimen­sion ein­traf, sei zu erken­nen, dass sich die Branche sukzes­sive darauf ein­stelle. „Um von den Vorteilen zu prof­i­tieren, sollte ein erfol­gre­ich­er Umstieg von der Nass- zur Trock­en­bear­beitung immer ent­lang ein­er durch­dacht­en Strate­gie und mit einem kom­pe­ten­ten Maschi­nen­liefer­an­ten als Part­ner real­isiert wer­den“, emp­fiehlt CSO Nahl. „So kön­nen mod­erne Unternehmen bere­its heute von den neuesten Entwick­lun­gen wie ein­er ein­träglichen Tem­per­aturkom­pen­sa­tion, dem Ein­satz höheren Luft­drucks und mod­u­lar aufge­baut­en Sys­te­men prof­i­tieren, die in der Folge Fer­ti­gungskosten reduzieren und unnötiges Over-Engi­neer­ing ver­mei­den.“ Der Glob­al Play­er mit Stamm­sitz in Min­del­heim (Bay­ern) präsen­tiert auf der diesjähri­gen EMO in Han­nover sein aktuelles Pro­duk­t­port­fo­lio sowie Live-Bear­beitun­gen und tech­nis­che Highlights.

Faz­it und Ausblick

Noch immer machen die Nass­bear­beitun­gen mit umfan­gre­icheren Men­gen an Kühlschmier­stoff den bei weit­em größten Anteil der Zerspanung­sprozesse aus. Trotz­dem sind Trock­en­bear­beitung bzw. Min­i­mal­men­gen­schmierung auf dem Vor­marsch, ger­ade auch in speziellen Gebi­eten wie beispiel­sweise dem Zahnradfräsen.

Bei der Auswahl des geeigneten Ver­fahrens spie­len neben tech­nol­o­gis­chen Aspek­ten, wie zu bear­bei­t­en­der Werk­stoff und Maschi­nen­per­for­mance, mögliche Kosteneinsparun­gen bei Energie und Anla­gen eine wesentliche Rolle. Darüber hin­aus fließen aber auch gesund­heitliche Aspek­te, Nach­haltigkeit sowie ver­schär­fende Aufla­gen zunehmend in die ganzheitlichen Betra­ch­tun­gen ein. Tech­nol­o­gis­che Fortschritte und detail­lierte Ken­nt­nisse über die Vorgänge direkt an der Schnei­de bieten kün­ftig zunehmend mehr Möglichkeit­en, mith­il­fe der Trock­en­bear­beitung oder MMS sich­er und oft auch hoch­pro­duk­tiv zu zerspanen. Auf der EMO Han­nover 2019 find­en Fachbe­such­er aus­führliche Infor­ma­tio­nen, Anre­gun­gen und Hil­fe, um für die eige­nen Anwen­dun­gen die richtige Wahl zwis­chen Nass- und Trock­en­bear­beitung bzw. MMS zu treffen.

Autor: Dag Hei­deck­er, dax­TR – Tech­nik + Redak­tion, Wermelskirchen</em
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Kategorien: 2019, September